Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens von Roman Ehrlich

Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens von Roman Ehrlich

Max Höft
Maximilian Höft
, 09.06.2017

In Roman Ehrlichs zeitkritischem Roman geht es um die Produktion des Horrorfilms „Das schreckliche Grauen“. Inhalt des Films sollen die ganz persönlichen Ängste der Mitwirkenden werden. Dazu finden im ersten Teil des Buches konspirative Treffen unter der Leitung von Christoph Raub, dem Regisseur, statt. Auf der Bühne sollen alle Mitwirkenden ihre größte Angst schildern, damit aus den Aufzeichnungen dieser Schilderungen das Drehbuch verfasst werden kann. Was alles ziemlich harmlos anfängt, wird schnell abgründiger.

Christoph Raubs Vorgehen wird immer ungewöhnlicher und seine Absichten schleierhafter. Im zweiten Teil wandert das Filmteam durch die Natur Süddeutschlands, von München nach Berlin, um auf dem Weg „Das schreckliche Grauen“ abzudrehen. Währenddessen entwickelt die Gruppe, der Natur ausgesetzt, eine ganz eigene Dynamik. Die Angst wird zunehmend realer, je häufiger Raub seine Crew dazu auffordert, vor der Kamera fragwürdige Dinge zu tun, wie z.B. eine Tankstelle auszurauben oder eine Scheune abzufackeln.

„Die Überzeugung Christophs ist, dass alles andere um ein Ereignis herum verschwindet, wenn es nur krass und deutlich und drastisch genug ist. Dass wir dann den Dingen in die Augen schauen können. Und dass wir uns dort erkennen. Idealerweise würde man auf diesem Weg auch immer mehr über die Angst und den Zorn und die Enttäuschung lernen, die dem Genre als Grundlage dienen. Für Christoph geht es aber auch darum, diese vergrabenen Kräfte in den anderen zu entfesseln und für die eigene Sache nutzbar zu machen.“ (Roman Ehrlich im Interview über seinen Roman)

In nachdenklichem Ton wird aus Sicht des stillen Moritz erzählt, der zwar bedingungslos alles für den Film gibt, allerdings immer eine Figur am Rande des Geschehens bleibt.
In Unkenntnis des weiteren Verlaufs der Dreharbeiten und seiner eigenen Funktion dabei (sein Wunsch ist es, einen möglichst grausamen Tod vor der Kamera zu sterben), beobachetet er den Verlauf der Produktion sehr genau. Moritz ist zu schüchtern, um seine Beobachterrolle zu verlassen, gleichzeitig fühlt er sich von den anderen ausgeschlossen und hintergangen. Die Ungewissheit – die der Leser mit Moritz teilt – füllt der Protagonist mit Spekulationen, die leicht paranoide Züge bekommen. So entsteht ein Flickenteppich aus der sehr intimen, teils erstaunlichen Innensicht des Protagonisten, den Geschehnissen bei den Dreharbeiten und den Geschichten der restlichen Figuren, die beiläufig in die Geschichte eingeflochten werden.

„Bei unserem nächsten Treffen in Ulm nahm ich unter allen Beteiligten von Anfang eine große Dünnhäutigkeit war. Vielleicht war ech auch meine eigene Dünnhäutigkeit, die ich auf die anderen projezierte und die mich dort dann störte, weil ich sie gern selbst bekämpft hätte.“ (Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens, S. 174)

Als Leser fängt man an darüber nachzudenken, wovor man sich selbst fürchtet, was Angst eigentlich ist, wie sie entsteht und was sie zur Folge haben kann. Bemerkenswert ist, dass diese Fragen auf den 640 Seiten zwar aufgeworfen, aber nicht konkret beantwortet werden. Man bekommt eher eine diffuse Ahnung und macht sich seine eigenen Gedanken darüber. Was deutlich wird: dass Angst eine ganz individuelle Angelegenheit ist.
Mit großem Genuss habe ich dieses Buch gelesen, mich von den plastischen Schilderungen gefangen nehmen lassen und bin mit der gleichen Ungewissheit, Erwartung und Angst durch Deutschland gereist wie die Crew des „Schrecklichen Grauens“. Allerdings waren meine Tage dabei alles andere als fürchterlich.

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gebundenes Buch, 640 S.
Sprache: Deutsch
Fischer, S. Verlag GmbH
ISBN: 9783100025319